Wer sein Umfeld in Hohenschönhausen aufmerksam beobachtet wird feststellen: Die soziale Durchmischung ist nicht mehr gegeben. Die Einwohnerzahl wächst stetig, ohne dass die soziale und verkehrliche Infrastruktur mitwächst. Die Zahl der Sozialleistungsempfänger nimmt zu, während immer weniger Leistungserbringer in die Region ziehen. Unsere Befürchtung ist: Aus den Großraumsiedlungen in Hohenschönhausen droht mittelfristig ein sozialer Brennpunkt zu werden. Deshalb sind hier insbesondere der Berliner Senat und die Howoge als städtisches Wohnungsunternehmen gefragt, um die Vermietungspraxis bei den landeseigenen Wohnungen anzupassen.
Ob Senat und Howoge Überlegungen anstellen oder planen, die aktuelle Vermietungspraxis zu ändern, wollten wir daher per Schriftlicher Anfrage an den Senat erfahren.
„Der Senat hat 2024 gemeinsam mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen und der berlinovo die Kooperationsvereinbarung ‚Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung‘ überarbeitet und neu abgeschlossen“, heißt es dazu aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. „Diese sieht vor, dass bei Neubauvorhaben mindestens 50 Prozent an WBS-berechtigte Haushalte“ vergeben werden.
Bei bereits bestehenden Wohnungen, wie es Tausende in Hohenschönhausen gibt, sollen laut Kooperationsvereinbarung „63 Prozent der jährlich zur Wiedervermietung kommenden Wohnungen an WBS-berechtigte Haushalte zu einer im Sinne des Leistbarkeitsversprechens angemessenen Miete wiedervermietet werden“, heißt es weiter aus dem Senat. Diese geltenden Quoten seien verbindlich vereinbart. Das heißt, dass drei Viertel aller zu vermietenden städtischen Wohnungen in Hohenschönhausen nur noch an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen vermietet werden.
Nur in begründeten Ausnahmefällen dürfen die Wohnungsunternehmen im Einvernehmen mit dem Senat davon abweichen. „Die Absenkung von WBS-Quoten erfolgt in Quartieren, die im Monitoring Soziale Stadtentwicklung als ‚Gebiete mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf‘ ausgewiesen sind, das heißt, sie verfügen über einen sehr niedrigen Status-Index oder über einen niedrigen Status-Index und negativen Dynamik-Index.“ Die Absenkung solle dann der Stabilisierung der Sozialstruktur dienen, macht der Senat deutlich. Anders gesagt: Erst wenn es gravierende soziale Probleme in einem Gebiet gibt, das Kind quasi in den Brunnen gefallen ist, greift der Senat ein und stimmt einer befristeten Senkung der WBS-Vermietungsquote zu. Das war bisher unter anderem Märkischen Viertel und im Stadtgut Hellersdorf der Fall.
Dass die soziale Mischung in Hohenschönhausen durch die WBS-Vermietungsquote verloren geht, sei nach Auffassung der Senatsverwaltung nicht erkennbar. Vielmehr sehe man andere Anpassungsbedarfe, weil es hier zum Beispiel immer mehr Kinder und Jugendliche in alleinerziehenden Haushalten gibt. Auch allgemeine soziale Ungleichheiten und gestiegene Integrationsbedarfe sieht man seitens der Senatsverwaltung ebenso, wie die „Errichtung einzelner Unterkünfte für Schutzsuchende“, die Hohenschönhausen in den vergangenen Jahren sozial geprägt haben. Doch sind das nicht alles Anzeichen einer kippenden sozialen Durchmischung?
Das sieht man in der Senatsverwaltung offenbar anders. „Eine soziale Durchmischung wird durch verschiedene Faktoren erreicht, diese umfassen nicht nur das Einkommen der dortigen Bewohnerinnen und Bewohner“, teilt man uns mit. „Durch das Bereitstellen von Wohnungen für unterschiedliche Einkommensgrenzen gemäß den WBS-Vorgaben, wie zum Beispiel die Erweiterung der Vermietung von Wohnungen im Segment WBS 220, sowie frei vermietbarer Wohnungen sowie unterschiedliche Wohnungsgrößen und die teilweise Vergabe an besondere Bedarfsgruppen wird der Zuzug verschiedener Bevölkerungsgruppen sowie eine soziale Durchmischung der Quartiere ermöglicht“, glaubt man in der Senatsverwaltung.
Mit dieser Argumentation und den verharmlosenden Antworten des Senats auf unsere Schriftliche Anfrage sind wir allerdings nicht einverstanden. Wir werden an diesem Thema weiter dran bleiben.
Zur vollständigen schriftlichen Anfrage gelangen Sie hier.
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