Die allermeisten Altbauten sind sorgsam saniert, die Balkone mit blühenden Gewächsen bepflanzt. Die Victoriastadt, die eigentlich jeder dort Kaskelkiez nennt, eine Enklave, die von Bahnlinien umschlossen ist, mutet an wie ein kleiner Prenzlauer Berg oder Friedrichshain.
In dem ruhigen Viertel, nicht weit weg von den Szenekiezen um das Ostkreuz, wohnt man gern. Davon konnten sich auch Wilfried Nünthel, Lichtenbergs Stadtrat für Stadtentwicklung, bezirklicher Spitzenkandidat der CDU, und Martin Schaefer überzeugen. Schaefer, der im benachbarten Weitlingkiez wohnt, tritt im Wahlkreis 5 als Direktkandidat der Christdemokraten für das Abgeordnetenhaus an.
1993 bis 2008 Sanierungsgebiet
Noch in den 1990er-Jahren bot die Victoriastadt ein anderes Bild: Viele Häuser waren heruntergekommen, etliche von ihnen besetzt – rechte und linke Gruppierungen lieferten sich Auseinandersetzungen. 1993 wurde das Viertel zum Sanierungsgebiet, mehr als 50 Millionen Euro gab allein das Land Berlin für die Häusersanierung und für den Ausbau der Infrastruktur dazu. Aus dem einst dunkel und marode erscheinenden Quartier ist ein helles, freundliches Wohngebiet mit urbanem Flair geworden. Wenn es schon insgesamt in Berlin kompliziert geworden ist, eine bezahlbare Wohnung zu bekommen, gilt das für die 2008 aus der Sanierung entlassene Victoriastadt umso mehr. »Es gibt hier kaum noch Flächen für Bauprojekte«, sagt Wilfried Nünthel. Selbst kleine Lücken werden derzeit geschlossen, Neubauten stehen kurz vor dem Bezug. Am Eckgrundstück Spittastraße 2, bisher gewerblich genutzt, hängt zwar noch kein Bauschild, dafür aber ein Plakat, das einen Baubeginn für 2017 ankündigt. Hier wird die Baugemeinschaft SpittaMax 21 Wohnungen errichten, die Quadratmeterpreise liegen zwischen 3.200 und 4.300 Euro. Für die letzten freien Wohnungen werden noch Mitglieder gesucht, heißt es auf der Website von SpittaMax.
Parkzone oder nicht?
Einer der Spaziergänger weist den Stadtrat auf ein seit »mindestens zehn Jahren nicht bewohntes Eckhaus« hin – im Gebäude Türrschmidtstraße 1 gibt es trotz bester Wohnlage Leerstand. Lediglich eine Spielothek befindet sich im Erdgeschoss. Das Haus, so erzählt man sich im Kiez, soll einer alten Frau gehören. Warum sie es trotz bester Zeiten für Vermieter nicht für den Wohnungsmarkt nutzt oder aber weiterverkauft, weiß niemand. »Ich kann keinen Eigentümer zwingen, zu vermieten oder zu verkaufen«, sagt Wilfried Nünthel.
Eine junge Frau aus der Runde macht auf die Parkplatzprobleme im Quartier aufmerksam: »Wenn die neuen Häuser bezogen sind, wird es hier noch enger«, sagt sie. Es gebe starken Parkdruck aus angrenzenden Friedrichshainer Gebieten, die die Parkraumbewirtschaftung eingeführt haben, bestätigt Martin Schaefer. Wilfried Nünthel erzählt, dass dieses Thema auch bereits im Bezirksparlament diskutiert wurde. »Die Meinungen dazu sind diffus, man konnte sich noch nicht einigen.« Martin Schaefer macht die Probe aufs Exempel: »Wären Sie denn für die Einrichtung von Parkzonen?« Unisono sagen ein Mann und eine Frau, beide Anwohner: »Ja, das würde die Situation bestimmt verbessern.« Eine andere Frau ist entschieden dagegen, damit würden doch nur Autofahrer abgezockt. Nicht unbedingt diejenigen, die hier wohnen, die zahlten für eine Anwohnervignette dann 20,40 Euro für zwei Jahre, das sei verkraftbar. Zur Kasse gebeten würden andere – die in eine der Gaststätten des Viertels gehen wollten, ins Bezirksmuseum oder auf den Markt am Tuchollaplatz. »Die Meinungslage ist also geteilt, genauso wie in der BVV«, konstatiert Wilfried Nünthel.
Modularer Ergänzungsbau für die Grundschule
Weil viele junge Familien in die Victoriastadt gezogen sind, reichen die Grundschulplätze dort bald nicht mehr aus. In der Schule an der Victoriastadt, Nöldnerstraße 44, ist es schon jetzt eng, perspektivisch droht sie, aus allen Nähten zu platzen. »Deshalb haben wir uns entschlossen, für einen modularen Ergänzungsbau eine benachbarte Grünfläche zur Verfügung zu stellen«, berichtet der Stadtrat, der auch für das Lichtenberger Grün zuständig ist. Dauerhafte Entspannung könne aber ein anderes Projekt bringen: Ein Gelände an der Hauptstraße 8, das gegenwärtig noch von der Polizei genutzt wird, sei für eine dreizügige Grundschule geeignet, so Nünthel. Das habe eine Studie ergeben. »Gelingt uns die Realisierung, ist das eine gute Möglichkeit sowohl für die Kinder aus der Rummelsburger Bucht als auch aus der Victoriastadt.« Die Senatsschulverwaltung habe bereits ihre Unterstützung signalisiert.
Victoria-Center wird umgebaut
Wilfried Nünthel hatte noch eine neue Nachricht für die Spaziergänger: Das Victoria-Center, ein Einkaufszentrum an der Schreiberhauer Straße, hat einen neuen Eigentümer. Dieser wolle es grundhaft umbauen und das Angebot neu ordnen. Saniert werde die Handelseinrichtung aber nur innen, so Nünthel. Die Fassade, die von vielen im Kaskelkiez als hässlich empfunden wird, bleibe: »Da gehen sie nicht ran.« Martin Schaefer ergänzt: »Und Kaufland bleibt im Center.« Erst vor kurzem sei nämlich der Mietvertrag verlängert worden.